Monika Pfundmeier vor Kinoleinwand spricht Grußwort

Mein Grußwort und Manifest, als Vorsitzende hier in der Region München-Oberbayern des Verbands deutscher Schriftsteller*innen, als Mitglied des Vorstands des European Writers Council, als literaturpolitisch Engagierte, als Autorin,  zur Filmpremiere und Preview des Films INGEBORG BACHMANN – Reise in die Wüste:

Zukunft, Liebe, Leben, Entscheiden – in unserer Hand

„Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ 

Das sind Ingeborg Bachmanns Worte in einem Film *, über eine besondere Frau und über dieses Etwas:
Liebe.
Zwischen zwei Menschen.
Wie ist das hier mit der Wahrheit? Viel zu oft ist sie unbeliebt.
Gibt es überhaupt EINE Wahrheit? Ich bin mir sicher:
Nein.
Und ich bin mir sehr sicher mit Folgendem:
Erstens: Liebe allein genügt nicht.
Zweitens: Liebe ist nicht nur das, zwischen zwei Menschen.

Natürlich: Wir erzählen in Geschichten, wie Liebe wirkt zwischen jenen, die wir Liebende nennen. Geschichten, die uns schwelgen, träumen, sehnen, hoffen lassen. Geschichten vom Brennen und Verbrennen.
Hoffend – vielleicht – dass unser Publikum erkennt, was falsch läuft. Dass es aus den Fehlern lernt und diese nicht imitiert in der Realität.

Die Realität:

In der Realität allerdings, wird – statistisch – jeden dritten Tag eine Frau ermordet von ihrem Partner oder Ex-Partner. Jeden Tag geschieht – verbal und/oder körperlich – Gewalt in Beziehungen.
Das ist Struktur. Diese Struktur wuchert im Knochenmark unserer Gesellschaft und billigt, dass das, was wir als weiblich, als anders, verletzlich, körperlich wahrnehmen, abgewertet wird. Dass wir abwerten und abgewertet werden.
In dieser Form aggressiv, beherrschend, kapitalistisch verfestigt,
für eine Welt, in der es nur Gewinnen oder Verlieren gibt, in der Besitz zur Definition des Seins geworden ist, suggeriert uns diese Struktur eine Illusion von Normal, einer „normalen“ Beziehung.

In Käfigen von Rollenbildern und Definitionen, wie wir als Menschen, als Wesen, als Frau, als Mann zu sein haben, zermürben wir uns selbst und gegenseitig. Verletzen uns. Scheitern daran, müssen scheitern. Füttern unser Un-Glück.
Wer sich zu lösen versucht, wird abgelehnt, angefeindet, permanent ver- und beurteilt. Bestraft.
Wir erschöpfen daran, uns und unser Lebensmodell privat und öffentlich verteidigen zu müssen. Bis uns keine Luft bleibt.
Bis unser Potential verbrennt, statt die Welt damit zum Leuchten zu bringen.

Wir alle sind über ein feines Netz verbunden und betroffen – als Freund*innen, Kolleg*innen, Kind, Eltern, Geschwister – eingefangen in einer wesensverachtenden Struktur.
Das geht hinaus über das, was zwischen 2 Menschen geschieht.

Was können wir tun?

Gut ist: In unserer Hand liegt die Macht zur Veränderung.
Wir können aktiv gestalten, wir sollten aktiv gestalten, nicht nur einem Gefühl ausgeliefert zu sein oder einem Konstrukt.
Auch weil wir Menschen,
WENN wir uns dazu entscheiden von erstarrten Vorstellungen zurückzutreten, neue GeschichteN und Geschichte schreiben. Als Vorbilder für ein besseres Miteinander.
Nicht nur in Form generierter Wiederkäuung von in der Vergangenheit erschaffenen Strukturen – oder Werken,
die – kleiner Schwenk – auch eine KI nur reproduziert. Dabei liebt KI nicht, küsst nicht, aus einer Maschine tritt keine Ingeborg Bachmann heraus, und auch keine Margarethe von Trotta, um den Abend mit uns zu verbringen.

In solchen Konstrukten ist keine Vision für eine Zukunft.

Die Welt entwickelt sich aus dem, was wir hineingeben als Menschen, und: aus dem Antrieb zu gestalten, zu verändern, denn Leben ist genau das: Veränderung. Leben ist genau deswegen.

Liebe ist genug, wenn wir entscheiden, aktiv zu gestalten – auch, aber nicht nur unsere Beziehung als Liebende.
Wir müssen als Gesellschaft Raum und Rahmen schaffen und scheinbar abgeschlossene Dialoge neu öffnen, wenn wir nicht einfach einem Momentum, einer chemischen Reaktion und erstarrten Vorstellungen überholter Konzepte ausgeliefert sein wollen.

Das ist anstrengender, als sich auf Bekanntem auszuruhen, aber dringender denn je. Nur so gelingt, dass wir uns nicht durch destruktive Strukturen berauben und damit Ideen, Zukunft, Potential und Menschen töten.

Bezug zum Film

Dieser Film über INGEBORG BACHMANN schenkt uns einen klugen, schmerzhaft modernen Blick.
Danke dafür, liebe Margarethe von Trotta, Danke allen, die diesen Film möglich machen, Danke, denen, die Geschichten erzählen, die auch zu Filmen werden, die möglich werden durch Sie, und durch ein wunderbares und interessiertes Publikum.

INGEBORG BACHMANN – Reise in die Wüste.
Finden wir heraus, welcher Teil Wüste ist!
Jenes Weglassen des Außen, das Raum schafft, neu zu erblühen,
oder: jenes Konstrukt, einer von außen betrachteten scheinbaren Fülle, die uns verwüstet, verwundet zurücklässt?

Fazit

Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.

Meine Wahrheit: Wir können entscheiden und verändern. Uns und die Strukturen um uns – für mehr Gleichberechtigung, Liebe, Leben, unsere Zukunft.
Zukunft wird aus Mut gemacht.
Machen wir es besser – miteinander, füreinander!

*Anmerkung: (Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar – Ingeborg Bachmann 1959 in ihrer Dankesrede | Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden).